Als ich heute Morgen wach werde und die Rollos hochziehe traue ich meinen müden Augen kaum. Das schöne Wetter von gestern ist wie weg geblasen, draußen stürmt und regnet es. Ach stimmt, wir sind ja hier in Island, gestern hätte man das fast vergessen können. Die für heute geplante Wanderung zum Glymur rückt somit spontan wieder in weite Ferne. So schnell holt die Insel einen also wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Aber Wetter hier am Úlfljótsvatn, was heißt das heute schon großartig? Wir fahren heute schließlich nach Norden und werden uns zum Ende des Tages quasi an den Eingang zu den Westfjorden befinden. Es ist äußerst unwahrscheinlich, das dort oben das gleiche Wetter sein wird wie hier.
Die Hütte war jedenfalls wunderbar für unserer Zwecke, sie liegt strategisch günstig in alle Himmelsrichtungen und man ist wirklich absolut ungestört hier.
Road #360
Nach einem guten Frühstück brechen wir schließlich auf und fahren links am See entlang die Straße #360 in Richtung Thingvellir. Erster Stopp ist logischerweise wieder die Úlfljótsvatnskirkja, welche bei den Bedingungen heute natürlich nicht ganz so malerisch ausschaut wie noch im März, als ich hierbei strahlendem Sonnenschein vorgestanden habe. Die Strecke ist rein fahrtechnisch trotzdem wunderschön, da kann auch das eher suboptimale Wetter rein gar nichts dran ändern.
Ich fand dieses Teilstück bis zur #36 letzten März schon traumhaft zu fahren, damals war die Landschaft noch puderzuckerartig in Schnee getaucht. Warum man jedenfalls rechts außen um den Pingvallavatn fahren sollte erschließt sich mir auch heute nicht wirklich.
Road #48
Unser nächster Stopp ist jetzt der Porufoss. Er liegt quasi am Straßenrand der teilweise frisch asphaltierten #48, die eine gute Alternative und Abkürzung von Thingvellir aus darstellt, um zum Hvalfjördur zu kommen. Der Wasserfall ist mit einem kleinen Marker am Straßenrand ausgeschildert, die kleine Parkbucht bietet Platz für exakt 2 Autos. Ich tippe mal darauf das hier in 2 Jahren ein gut ausgebauter, asphaltierter Parkplatz mit ausreichend Platz für zwei Reisebusse sein wird.
Bei der Nähe zum Golden Circle und die asiatenkompatible Laufweite von der Straße zum Wasserfall würde mich alles andere schwer wundern. Zumal der Porufoss wirklich schön anzusehen ist und es auch eine Art natürliche Plattform davor gibt von wo aus man ihn ablichten kann – oder auch abstürzen kann, wenn man im Selfiewahn ist. Danke an dieser Stelle an Michaela für das Foto.
Man sieht, das Wetter war immer noch recht bescheiden. Es war am Regnen, es war am Stürmen, es war einfach nicht schön draußen rum zu laufen oder sich mit fotografieren zu beschäftigen. Aber so wirklich weit gefahren sind wir ja auch bisher nicht. Das Foto hier unten ist das Einzige im weiteren Verlauf der #48 was entstanden ist. Schade das man den Regen nicht wirklich erkennen kann.
Als wir die #47 am Hvalfjördur schließlich erreichen scheint das Wetter es sich ganz allmählich etwas zu bessern. Wobei das in diesem Falle bedeutet, dass es ab und zu mal ein paar Minuten aufhört zu regnen zwischendurch. Die dicken Wolken sind aber trotzdem unser ständiger Begleiter. Als Nächstes hatte ich den Hvalfjardarlaug Hot Pot herausgesucht als Zwischenstopp, von welchem ich im Vorfeld der Reise einige tolle Fotos gesehen hatte.
Kaum ein anderer Hot Pot liegt wohl so malerisch und hat solch eine Aussicht wie dieser hier. Leider war die Zufahrt mit dem Auto nicht möglich, da eine dicke Eisenkette den Weg versperrt hat. Das würde bedeuten, wir müssten jetzt etwas über 1km zum Hot Pot laufen. Ohne wirklich zu wissen, ob sich überhaupt Wasser darin befindet und wo es im Moment noch alle paar Minuten wieder anfängt zu schütten wie aus Kübeln hatten wir darauf aber nicht wirklich Lust. Nach kurzer Beratschlagung fahren wir daher einfach weiter.
Fossarett
Nach wenigen Kilometern kommt eh bereits das nächste Ziel, der Fossarett. Ein einziges Foto hatte ich davon vorher gesehen, welches jetzt eher unter die Kategorie fällt „kann man mal mitnehmen“ weil die Location eh unmittelbar am Wegesrand liegt. Das uns der Wasserfall aber dann SO gut gefallen würde, damit hatte wohl keiner gerechnet. Viel dazu beigetragen haben sicherlich die schier endlos vorhandenen Lupinen hier, aber auch die alten Siedlungsüberreste und die fotogene Holzbrücke haben es mir wirklich angetan.
Wie so oft hier auf Island kommt man sich wieder einmal fast vor wie im Auenland. Das Wetter spielt zwar immer noch nicht wirklich mit, immerhin wird uns aber eine kurze Regenpause beschert und man hat dadurch nicht alle naselang Tropfen auf der Linse. Man ist ja gerade schon mit den kleinen Dingen des Lebens zufrieden.
Nur wenige Kilometer weiter kommt bereits der nächste Wasserfall, den wir allerdings von der falschen und eher unfotogenen Seite ansteuern. Der Skorhagafoss lässt sich am besten von links fotografieren, daher gibt es eine Aufnahme davon hier auch erst am letzten Tag – da sind wir nämlich noch einmal hier vorbeigefahren und haben ihn von seiner Schokoladenseite abgelichtet.
Glymur
Ein paar Kilometer weiter folgt bereits der Abzweig zum Glymur, wo wir einfach mal gucken wollten, was so geht und was nicht. Der Parkplatz ist jedenfalls nicht besonders voll, lediglich an die 10 Autos haben sich hier her verirrt bei dem Wetter. Kaum parken wir hört der Regen allerdings auf, nicht nur das … es wird sogar heller am Himmel. Was bleibt, ist allerdings ein wirklich unangenehmer Wind. Wir überlegen eine Weile und beobachten den Himmel.
Die Bedingungen für eine Wanderung zu diesem Wasserfall könnten wahrlich besser sein. Schlechter allerdings auch und so beschließen Burckhard und ich einfach mal loszulaufen und die Lage zu peilen. Umdrehen können wir ja immer noch. Abertausende von Lupinen säumen unseren Weg, wirklich kaum zu glauben, wenn man das nicht selber mal gesehen hat. Ich habe bisher in meinem Leben nicht eine einzige Lupinen gesehen und heute wird man regelrecht davon erschlagen.
Der Weg ist die ganze Zeit über leicht zu laufen, bis wir schließlich an die Stelle kommen, wo man durch die Höhle nach unten geht. Hier könnte man fast glauben man wäre irgendwo in Sedona oder Umgebung, das schaut alles recht ähnlich aus wie in den USA finde ich.
Und von hier aus kann man auch bereits die kniffeligste Stelle der Wanderung erkennen den Baumstamm, welcher quer über den Fluss liegt und worüber man dann gehen müsste. „Müsste“ wie gesagt, die Fließgeschwindigkeit und unsere Vernunft halten uns auch nach minutenlangen beobachten dieser Stelle davon ab. Keiner von uns hat Lust hier gleich klatschnass zu sein. Der Tag ist noch lang und der Urlaub sowieso.
Um es mal mit einem Spruch von letztem September auszudrücken: Man muss ja auch echt nicht alle haben *grins* Außerdem braucht man immer noch Dinge fürs nächste Mal, damit man wieder offene Rechnungen begleichen kann.
Das für mich persönlich kniffelige ist eigentlich nur das Stück durchs Wasser bis man den Baumstamm erreicht, die Steine sind glitschig und unberechenbar – zumindest ist das mein Eindruck und der hat viel Einfluss auf mein Bauchgefühl. Wie auch immer, obwohl die ganze Zeit die Sonne durch das einzige Wolkenloch scheint drehen wir nach einigem Beratschlagen wieder um. Der Verstand hat gesiegt und nach gut 90 Minuten sind wir wieder zurück am Auto. Es ist immer noch trocken, wir hätten also wohl tatsächlich sogar Glück gehabt mit dem Wetter. Und danach sah es ja überhaupt gar nicht aus heute Morgen nach dem Aufstehen. Es ist also nichts geworden mit dem Vis-a-Vis vom Glymur, aber heute ist nicht aller Tage.
Wir verlassen jetzt den Parkplatz und fahren wieder weiter. Wenige Kilometer entfernt würden jetzt zwei Schiffswracks im Wasser liegen, leider sehen wir beim Vorbeifahren allerdings keinerlei Möglichkeiten dort in die Nähe zu kommen da uns ein Zaun den Weg versperren würde. Wir verzichten daher auf die Suche nach einem Zugang. Mittlerweile weiß ich aber das ein kleiner Trampelpfad existiert, über den man sogar – ohne irgendwelche Absperrungen passieren zu müssen – zu einem Punkt oberhalb der Wracks kommt.
Auf den Weg gen Norden fahren wir einen kleinen aber lohnenswerten Umweg zu den Hraunfossar Wasserfällen … oder ist es nur einer? Nichts genaues weiß man nicht, „Fossar“ an sich deutet ja immer auf mehrere hin, sonst würde es ja Hraunfoss heißen, wenn es nur einer wäre. Zum vierten Mal steuere ich jetzt dieses Ziel an und zum ersten Mal soll es tatsächlich nicht regnen. Es geschehen also noch Zeichen und Wunder. Auf dem Weg halten wir noch beim Snorralaug Hot Pot, oder auch Snorris Pool, wie er gerne genannt wird. Er ist inaktiv, das heißt er darf nicht mehr genutzt werden. Fotogen ist er aber trotzdem.
Hraunfossar
Bei den Hraunfossar angekommen teilen wir uns alle auf und suchen wieder jeder für sich die persönlich besten Spots zum Fotografieren. Ehrlich gesagt weiß ich hier gar nicht mehr so richtig was ich überhaupt noch fotografieren soll.
Ich finde die Location zwar immer noch extrem schön, aber fotografiert habe ich hier irgendwie schon alles bis zum abwinken. Nach unten würde ich gerne mal gehen, aber da kommt man so ohne weiteres leider gar nicht hin. Das es irgendwie möglich sein muss, kann man anhand vieler Fotos im Internet aber ableiten. Na ja, vielleicht dann nächstes Mal.
Grábrók Krater
Via #50 und der Ringstraße fahren wir schließlich weiter bis zum Grábrók Krater. Oben auf dem Schlacke-Vulkan war bisher noch keiner von uns. Heute haben wir aber ausreichend Zeit und es regnet immer noch nicht, also erklimmen wir bei gefühlter Windstärke 10 die schier endlos erscheinenden Stufen nach oben. Dort angekommen fällt es schwer überhaupt ruhig stehenzubleiben. Ich glaube, ich habe selten solch einen Wind erlebt bisher.
Ein bisschen erinnert mich das an den vorletzten Tag im März, wo man ja kaum aus dem Auto aussteigen konnte, weil man die Türen nicht auf bekommen hat. Fotografieren wird hier oben wieder zur Geduldsprobe, so ziemlich jedes Bild wird beim ersten Mal verwackelt. Das Alter des Kraters wird übrigens auf circa 3600 Jahre geschätzt.
Mit Auf – und Abstieg und dem Aufenthalt oben sind wir ungefähr 30 Minuten beschäftigt gewesen. Völlig fertig vom extrem starken Wind, dafür aber gut durchgeföhnt und mit sitzender Frisur, machen wir uns schließlich wieder auf den Weg. Und ab jetzt verlassen wir auch die Standardroute der meisten Touristen hier, wir biegen nämlich ab auf die #60 welche fast senkrecht nach Norden in die Westfjorde führt. Ab jetzt ist quasi alles neu für uns und der Weg wird zum Ziel. Wir lassen es ganz gemütlich angehen und genießen einfach nur die grandiose Landschaft.
Road #60 in die Westfjorde
Im Grafarlaug Hot Hot ist leider kein Wasser, wirklich fotogen ist dieser aber eh nicht wirklich finde ich. Schnell wird unterwegs aber klar, dass die Fahrt anscheinend so wird wie ich im Vorfeld angenommen hatte, wenn man hier oben durch die Gegend fährt. Man hält nämlich alle naselang an. Wirkliche Points of Interests hatte ich bis zu unserer Unterkunft in Bjarkalundur gar nicht ausfindig machen können, das war aber auch gar nicht nötig, weil die Landschaft an sich hier oben der eigentliche Star ist.
In Búðardalur halten wir noch kurz im örtlichen Supermarkt, um ein paar Sachen einzukaufen, bevor es dann wieder langsam aber stetig weiter geht in Richtung unserer Unterkunft für heute Nacht.
Das Bjarkalundur Guesthouse würde ich mal als „Tor“ zu den Westfjorden bezeichnen. Davor und danach gibt es eine ganze Zeit lang keine wirklich buchbaren Unterkünfte mehr. Anscheinend ist hier aber noch kaum etwas los, nur wenige Autos stehen auf dem Parkplatz und das Guesthouse scheint nicht ansatzweise ausgebucht zu sein. Die Saison fängt hier oben halt erst in zwei oder drei Wochen an, vermutlich ist das die Ruhe vor dem Sturm jetzt.
Wir beziehen unser Dreibettzimmer in der ersten Etage, hier wie bei fast allen anderen Unterkünften in den Westfjorden haben wir kein eigenes Bad und WC, sondern es gibt lediglich mehrere Gemeinschaftsbäder und Duschen. Da hier aber ja gerade eh kaum was los ist, stört uns das nicht wirklich. Internet auf dem Zimmer funktioniert so la la, dafür hab ich mit meiner Vodafone Karte aber satten und schnellen 3G Empfang. Damit hätte ich jetzt hier oben eigentlich nicht wirklich gerechnet. Aber nun gut.
Abendessen gibt es auf dem Zimmer … heiße Nudeln, Brot und diverser Aufstrich stehen auf dem Speiseplan. Auf den morgigen Tag freut gerade Michaela sich schon ganz Besonders, dann sieht sie nämlich endlich zum ersten Mal im Leben die heiß ersehnten Papageitaucher … sofern alles klappt. Gute Nacht.
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