Dieser Loveparade Artikel basiert auf einem Beitrag von mir aus dem Jahre 2007, ist also inzwischen über 10 Jahre alt. Ich habe leider keine original Fotos mehr von damals, möchte aber trotzdem einmal den Artikel in leicht überarbeiteter und an WordPress angepasster Form noch einmal online stellen.
Wir schreiben das Jahr 1989. Unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ hüpfen knapp 150 Verrückte am 1. Juli auf einer als Demonstration angemeldeten Veranstaltung zu Musik aus einem alten VW-Bus über den Kudamm.
Zeitsprung, 18 Jahre später …
21. Juni 2007: Der Termin und die Location der diesjährigen Loveparade werden offiziell bekannt gegeben. Unter dem Motto Loveparade Metropole Ruhr wird Essen in diesem Jahr am 25. August den Anfang machen, in den nächsten Jahren folgen Dortmund, Bochum, Duisburg und Gelsenkirchen. Erwartet werden dieses Mal über 1 Millionen Verrückte.
Wahnsinn, wenn man überlegt, wie die Loveparade einmal angefangen hat. Und wer hätte gedacht, dass sie mal Berlin verlassen würde und in den Ruhrpott kommen würde? Ob sich dadurch das Image des Reviers ändert, weg von der Kohle, hin zu mehr Spaß und Lebensfreude?
Falls dem so ist, hätte man vielleicht frühzeitig mit Immobilien in Dortmund, Essen und Umgebung Geld machen können, viele der Raver brauchen ja Unterkünfte für die Zeit der Party! Mist, wieder eine Chance vertan ;-) Aber egal, es ist auf jeden Fall super, dass die Loveparade jetzt erst einmal im Ruhrgebiet ist.
Zeitsprung, 25. August 2007…
Um 11 Uhr morgens sind wir vor Ort, bewaffnet mit einem Rucksack voller Verpflegung und der kleinen Casio-Kamera. Hätte ich gewusst, dass hier Fotografen mit ähnlichen Hammerkameras herumlaufen wie drüben in den Nationalparks der USA, wäre mir auch die Mitnahme der Lumix nicht so schwergefallen. Aber egal, hinterher ist man ja immer schlauer.
Loveparade in Essen
Wir parken – entgegen unserer Erwartung – fast in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Kein Stau, keine Menschenmassen … alles sehr merkwürdig irgendwie. Guter Dinge wandern wir los Richtung Innenstadt, die sich dann allerdings doch langsam füllt und wo sich eine Menschenschlangentraube unaufhörlich in Richtung der vorgesehenen Strecke wälzt. Wir sind sozusagen „mittendrin statt nur dabei“.
Da wir noch jede Menge Zeit haben, wandern wir einmal den knapp 2,5km langen Kurs ab und schauen uns die dekorierten Wagen an. 27 sind es an der Zahl, damit ist es die längste Parade aller Zeiten.
Hier mal eine kurze Auflistung, wer wo und auf welchem Wagen zu finden gewesen ist:
01 DSights.com • 03 Essen andersrum & Aids Hilfe • 04 Mauritius Music Recordings • 05 Unlimited Sound • 06 SMAG • 07 Tunnel • 08 Dockland • 10 Platzhirsch Recordings • 11 Gansedoline Argentina feat.D-Nox & friends • 12 Evolution Entertainment • 13 Ministry of sound • 14 FridayDOM pres. We love Electro • 15 Sunshine LIVE • 16 Partysan & Circle of Love • 17 Niteroute & Dancefield • 18 DP Booking Johannesburg • 19 Pulse Radio Australia • 20 Raveline • 21 Warehouse • 22 Virtual Nights • 23 Dortmund City • 24 1LIVE • 25 Dutch Trance Alliance • 26 Space Ibiza • 27 Tribehouse • 28 Optixx • 29 Nature One
Wir beenden unseren kleinen Rundgang am Wagen mit der Nummer 14. Nun heißt es warten auf den Beginn!
Countdown zur erste Loveparade im Ruhrgebiet
Um 14 Uhr zählt am Berliner Platz, wo eine wirklich imposante Bühne aufgebaut wurde, eine Computerstimme eine Countdown herunter und eröffnet damit fast pünktlich das Spektakel. Zeitgleich starten fast alle Trucks zusammen ihre Motoren und die ersten Beats dröhnen aus den Lautsprechern. Die Menge kennt jetzt in dem Moment kein Halten mehr … es ist eine Stimmung, wie wir sie bisher eigentlich nur bei der Fußball-WM 2006 erlebt haben.
Unter tosendem Applaus und einem unglaublichen Jubel setzen sich die Floats dann langsam aber sicher gegen 14.30 Uhr in Bewegung. Wir sind hin – und hergerissen, wissen manchmal gar nicht, wohin wir eigentlich laufen und gucken sollen. Ein freies Plätzchen findet man ob der hinterher offiziell geschätzten 1,2 Millionen Besucher trotzdem immer irgendwo zum Ausruhen.
Wir lassen das Geschehen einfach auf uns wirken und wandern zwischendurch immer wieder mit dem Zug. „Go with the float“ sozusagen, daher auch die gewählte Überschrift weiter oben ;-)
Am besten gefallen haben uns im Nachhinein übrigens die Wagen von Sunshine Live und Nature One., sowohl von der Atmosphäre als auch von der Musik. Die besten Zugmaschinen hatten ganz klar Wagen 21 (ein amerikanischer Truck vom feinsten) und Wagen 28 (eine Zugmaschine von irgendwoher aus der Zukunft glaube ich!).
Wagen 24 empfinde ich persönlich schon fast als Blasphemie, nicht von der Deko her – die war okay. Alleine durch die Anwesenheit fühle ich mich schlicht verarscht: Was will 1Live bitteschön auf der Parade … !? Dort läuft doch fast ausschließlich HipHop, RnB und Rock, wenn ich zufällig mal reinhöre. Selbst am Tag der Parade hab ich dort nicht wirklich mehr Loveparadetaugliche Lieder als üblich gehört. Wenn man sich als Sender nicht wirklich damit identifiziert soll man es doch einfach lassen. Aber das nur am Rande, ist – wie ausdrücklich gesagt – ein rein subjektiver Eindruck
Nach knapp zweieinhalb Stunden wandern wir los in Richtung Berliner Platz. Das es dort voll sein würde, war uns klar. Das es allerdings SO voll sein würde hat uns dann doch überrascht. Da wir beide keine Fans von sehr großen Menschenansammlungen sind bzw. dort nicht unbedingt mitten reinmüssen, haben wir uns die riesige Bühne dann auch nur aus einiger Entfernung angeschaut, eindrucksvoll war sie allerdings trotzdem immer noch. Laut offiziellen Angaben war sie 300 Tonnen schwer und 800 Quadratmeter groß …
Kurz nach Beginn der Abschlusskundgebung, die abermals mit einem Countdown gestartet wurde, haben wir genug für heute. Unsere Füße tun eh schon langsam weh und wir haben – neben Ohrstöpsel und Kondomen – beide einen Sonnenbrand geschenkt bekommen … Danke!
6 Stunden Loveparade sind für uns damit vorbei. Ein Tag, an dem wir uns bestimmt noch einige Zeit lang erinnern werden. Wären wir noch länger hier geblieben hätten wir allerdings noch einen Auftritt der Blue Man Group miterleben dürfen, was wir im Vorfeld gar nicht gewusst haben … schade eigentlich. Dafür ist der Auftritt von Kultfigur Moby allerdings ausgefallen, er hatte wohl anscheinend Probleme mit dem Flieger, wenn ich es recht verstanden habe !?
Was bleibt abschließend zu sagen? Nun, da es ja unsere erste Loveparade war, können wir schlecht mit Berlin vergleichen. Was die Veranstalter hier aber in nur zwei Monaten auf die Beine gestellt und organisiert haben, war in meinen Augen eine echte Superlative. Ich bin eigentlich wirklich ein recht kritischer Beobachter (auch an solchen Tagen), aber ich wüsste auf Anhieb nicht, was man in Essen hätte anders oder besser machen können.
Sicherlich gab es hinterher wieder Leute, die das ein oder andere gestört hat. Die gibt es aber immer! Positiv aufgefallen ist uns auch, dass es durchweg friedlich und harmonisch abgelaufen ist. Sonst wäre der eigentliche Sinn dieser Veranstaltung ja auch irgendwie verfehlt gewesen.
Ebenfalls erfreulich für uns war es auch, dass wir eigentlich recht viele Leute in unserer Altersklasse gesehen haben. Da wir beide inzwischen Mitte 30 sind, ist das für uns im Vorfeld nicht selbstverständlich gewesen. Bedenkt man allerdings die Jahrgänge vieler DJs, ist ja ein Großteil der Mid-30er mit ihnen quasi „groß geworden“. Unerfreulich hat sich rückbetrachtend anscheinend die Organisation der Deutschen Bahn gezeigt. Ich bin deshalb wirklich froh, dass wir mit dem Auto angereist sind.
Ich könnte jetzt hier natürlich noch einige Statistiken anfügen oder Zahlen und Fakten präsentieren (zum Beispiel das es laut Polizei „nur“ 65 Straftaten gegeben hat, was für eine solch große Veranstaltung ein verschwindend geringer Teil ist!), das überlasse ich aber Seiten, die das sicherlich besser können als diese hier. Ich wollte lediglich einen kurzen Einblick zeigen, was man als Ersttäter hier so erleben kann.
Denn auch wenn die Musik vielleicht nicht wirklich jedermanns Geschmack trifft, man kann sich der Faszination und der Atmosphäre nur sehr schwer entziehen! Im Prinzip kann man es ganz gut mit einem Karnevalsumzug vergleichen … nur das dort halt hauptsächlich eine andere Generation unterwegs ist und ich persönlich DORT nicht unbedingt nochmal hin muss (was absolut NICHT an dem Alter liegt!)
Nachtrag zu den Geschehnissen der Loveparade 2010
Für das Jahr 2010 war lange Zeit unklar, OB die Loveparade stattfinden würde oder nicht. 2009 hatte die Stadt Bochum es abgelehnt die Veranstaltung durchzuführen. Der Grund: Sicherheitsbedenken!
Am 15.April 2010 haben Innenministerium und Bezirksregierung jedoch der Durchführung am 24. Juli 2010 in Duisburg auf dem Gelände der künftigen Duisburger Freiheit zugestimmt.
Ursprünglich war von unserer Seite aus angedacht, eben genau im Jahre 2010 der Loveparade wieder einen Besuch abzustatten, um dann einen ausführlichen Bericht darüber auf den Blog zu stellen. Mit dem Wissen von heute bin ich froh, dass wir NICHT dort gewesen sind. Wir alle haben durch die Medien hautnah miterleben müssen, wie durch Unfähigkeit und – letzten Endes – Profitgier, 21 Menschen gestorben und über 500 verletzt wurden. Jegliche Sicherheitsbedenken wurden im Vorfeld anscheinend heruntergespielt, einen Schuldigen scheint es nicht zu geben, weil sich niemand einer Schuld bewusst ist und der schwarze Peter immer schön weiter gereicht wird.
Die Parade der Liebe wurde zur Todesfalle. Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen irgendwann doch noch zur Rechenschaft gezogen werden und nie wieder solche Entscheidungen treffen müssen bzw. DÜRFEN !! Auch, wenn der Prozess im Mai 2020 nach über 184 Sitzungstagen ohne Urteil beendet wurde!
So sehr sich die Stadt Duisburg mit der Durchführung der Veranstaltung auch Publicity erhofft hat … letzten Endes haben sie genau diese jetzt bekommen – nur völlig anders, als man sich das wohl vorgestellt hat.
Leb wohl Loveparade, Du warst Teil und eine Bewegung meiner Jugend. Ich habe Dich quasi aufwachsen und nach der 19. Veranstaltung dann auch sterben sehen!
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