Der Blick aus dem Fenster heute Morgen ist … öhm … sagen wir mal so: Ein alter Bekannter ist zurück! Der Regen! Grüß Gott, hau bloß ab. Die komplette Tagesplanung ist damit erst einmal hinfällig, denn diese hat ausschließlich darauf beruht, dass es trocken ist und wir nach der westlichen Seite des Dettifoss, hoch nach Hljóðaklettar und weiter nach Asbyrgi fahren und zum Sonnenuntergang am Aldeyjarfoss sind.
Eine vollkommen überflüssige Planung wie es scheint, denn großartige Wanderungen möchte man bei diesen Bindfäden von oben heute nicht wirklich machen.
Dettifoss Westseite
In der Hoffnung das es irgendwo anders nicht so trübe ist fahren wir nach dem eher spartanischen Frühstück einfach mal los. Genügend Dinge gibt es hier ja eigentlich, die man machen könnte, irgendetwas wird schon klappen. Aber auch wenn es in Richtung Dettifoss etwas heller aussieht, dort angekommen holt uns die Realität wieder ein und wir stiefeln im Regen zum Wasserfall.
Auch nicht besser als letztes Mal im Mai, wo wir hier noch durch den hohen Schnee gelaufen sind. Damals war es immerhin trocken, heute sollten wir dieses Wort mehr zu schätzen lernen als uns lieb ist.
So wirklich will bei mir jedenfalls keine richtige Fotografierlaune aufkommen, kein Wunder da es quasi unmöglich ist den Filter auch nur aus der Tasche zu holen, ohne das er sofort nass wird. Ein paar halbherzige Aufnahmen später habe ich ehrlich gesagt schon keine großartige Lust mehr.
Den kurzen Abstecher zum Selfoss rüber hätte ich mir eigentlich auch schenken können, auch wenn die anderen augenscheinlich Gefallen daran finden und Burckhard es sogar dieses Mal bis ganz nach vorne schafft – ich drehe bereits nach wenigen Minuten um und mache mich auf den Rückweg zum Auto.
Ich hatte so viel für den Tag heute geplant, das war alles für die Katz – oder um bei Island zu bleiben – für den Troll. Da sitze ich also nun im Auto, die Sitzheizung läuft auf Hochtouren und ich hoffe das meine Klamotten und die Kamera wenigstens halbwegs getrocknet sind bis die anderen zurück sind.
Das ist natürlich nicht der Fall und mit klammer Hose und Sonne im Herzen (irgendwo scheint ja immer die Sonne) fahren wir zu irgendeinem nächsten Ziel was uns gerade in den Sinn kommt. Mittlerweile ist übrigens fast Mittag, ich frage mich wie lange wir eigentlich unterwegs gewesen sind bei diesem Monsunwetter.
Da niemand von uns Lust hat bei Námaskarð durch den vom Regen aufgeweichten Lehmboden zu waten, fahren wir alternativ hoch zum Viti-Krater. Auf dem Weg könnten wir kurz duschen, irgendein Scherzbold hat jetzt sogar noch ein Waschbecken mit dazu gestellt – früher stand hier mal ein WC, ich hoffe nicht es wurde entfernt, weil sie irgendwelche Schlaumeier tatsächlich dort drauf gesetzt und erleichtert haben.
Am Viti-Krater folgt auch leichter Ernüchterung, zwar kommt selbst heute ansatzweise die tolle Farbe des Wassers zum Vorschein, aber drum herumlaufen mag trotzdem niemand. Das würde nämlich ungefähr eine halbe Stunde durch Matschepampe stiefeln bedeuten und irgendwie steht das nicht wirklich gerade auf unserem Wunschzettel.
Ich glaube, jeder wäre jetzt froh einfach nur unter einer heißen Dusche zu stehen … nein, NICHT die heiße Dusche von vor ein paar Minuten!
Grjótagjá
Wir beschließen erst einmal kurz zur Unterkunft zu fahren, uns umzuziehen und die nassen Klamotten dort trockenen zu lassen. Kurze Zeit später sitzen wir aber schon wieder in den Autos, ich hatte Grjótagjá (Gesundheit! DANKE) vorgeschlagen, die heiße Quelle in einer Höhle unterhalb der geologischen Verwerfungszone zwischen den Kontinentalplatten von Amerika und Europa. „Höhle“ scheint gut zu klingen, denn immerhin bleibt man dort ja dann trocken.
Leider scheinen diese glorreiche Idee auch viele andere gehabt zu haben, der Parkplatz ist nämlich richtig voll und man darf sich quasi regelrecht einreihen in die Wartenden um nach unten zu gelangen. Es läuft heute einfach … und nach einer gefühlten halben Ewigkeit schaffe auch ich ein Foto zu machen was ich schon genau SO auch beim letzten Mal gemacht habe *hgrmpf*
Zurück am Auto hört es plötzlich auf zu regnen. Wir haben fast 15:30 Uhr inzwischen und es ist das erste Mal heute. Der Spruch „wenn dir das Wetter auf Island nicht passt, warte einfach ein paar Minuten“ scheint also nicht wirklich zu stimmen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur ein Schreibfähler und es sind Stunden oder Tage gemeint, man wird es nie so genau erfahren. Wie auch immer, es ist also trocken – zumindest von oben … was tun sprach Zeus zu dieser nun bereits vorgerückten Stunde !?
Dimmuborgir
Unweit entfernt von Grjótagjá (Gesundheit! DANKE) liegt ja auch Dimmuborgir, das Wandergebiet, was Burckhard und ich letztes Mal gar nicht besucht hatten. Warum weiß ich nicht mehr, wir müssen entweder blind gewesen sein oder haben keine Zeit dafür gehabt.
Der Abzweig lässt sich jedenfalls nicht übersehen und am Parkplatz angekommen frage ich mich WIE man bitte die augenscheinliche „Main Attraction“ hier außen vor lassen konnte letztes Mal !? Zumindest das Visitor Center, der große Parkplatz und die Reisebusse lassen erahnen, dass es hier viel zu sehen gibt – sofern man die Leute einmal ausblendet, die hier überall herumwuseln.
Laut Infotafel gibt es mehrere Wanderwege durch das Lavagebiet, da wir keine Ahnung haben welchen wir nehmen sollen laufen wir einfach irgendeinen und scheinen durch Zufall auch den richtigen erwischt zu haben. Zumindest kommen wir an ein paar Formationen vorbei, die mir von Bildern her bekannt vorkommen.
Der eigentliche Clou hier und heute sind allerdings die Herbstfarben, das hat nicht nur mich regelrecht aus den Socken gehauen. Im Sommer mag es ja bestimmt auch interessant hier sein, aber mal ehrlich … geht es NOCH schöner ???
Ein regelrechter Farbrausch für die Sinne und die Kameras. Eventuell muss ich mir das mit dem Indian Summer in den USA noch einmal durch den Kopf gehen lassen irgendwann. Würde jetzt noch die Sonne für einen kurzen Moment mal durch die Wolken schielen und einen Regenbogen zaubern wäre es kaum auszuhalten. So schnell kann Island einen wieder in den Bann ziehen nach einem verregneten Tag.
Wir laufen noch vorbei an einem Brautpaar (von der Sorte scheint es echt viele hier zu geben im Moment) und einem Vogelpärchen, welches sich in einer Pfütze badet, und drehen dann irgendwann wieder um. Zurück am Parkplatz ist es immer noch trocken und in Richtung Goðafoss schaut es ebenfalls gar nicht so schlecht aus. Und da Morgen wieder ein Tag ist der straff durchgeplant wurde von mir was das Programm angeht, beschließen wir zumindest eine Seite dieses Wasserfalls heute schon zu besuchen.
Aldeyjarfoss
Als Erstes fahren wir allerdings am dortigen Parkplatz vorbei und biegen dahinter auf die #842 zum Aldeyjarfoss ab. Knapp 40 Kilometer oneway und eine gut zu fahrende Schotterpiste erwarten uns. Ich liebe ja solche unbefestigten Straßen, wo bei der Geschwindigkeitsangabe 80 km/h auf dem Schild angegeben sind. Diese kann man dann meistens nämlich auch tatsächlich fahren.
Relativ zügig nähern wir uns dadurch dem Ziel. Erst die letzten circa 2 Kilometer ist die Straße hier offiziell eine F-Piste und darf von kleineren Autos ohne 4×4 nicht mehr benutzt werden.
Warum, wieso, weshalb sie eine F-Piste ist ab Punkt X weiß ich ehrlich gesagt nicht. Der Zustand war die ganze Zeit gleichbleibend gut bis wir das Ziel erreicht haben. Pünktlich mit uns trifft auch Gevatter Regen wieder auf dem Parkplatz ein, Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Aber heute würde ich einfach nur noch drüber lachen, wenn ich dem Regen mal eins in die ‚*&*+#$“ hauen könnte.
Der Aldeyjarfoss entpuppt sich für alle als echtes Highlight, später sollten Sätze fallen wie „das ist der Schönste von allen“. In der Tat ist der Wasserfall mindestens genauso schön wie ich es von Bildern in Erinnerung habe und trotz Regen geht mir das Herz auf. Alleine der Weg runter, vorbei an der Schlucht … die unglaublichen Farben dabei … die Natur ist der beste Künstler!
Sie hat auch den Troll in den Felswänden hier erschaffen, erkennt Ihr ihn? Okay, er sieht aus wie ein Apfel-Birnen Troll und hat keine wirklich beängstigende Wirkung … aber das haben Babys auch nicht und sie können Dich quälen *grins*
Dieses Mal habe ich lustigerweise auch zum erste Mal daran gedacht meinen Regenschutzüberzug vom Rucksack in die Tasche zu stecken, den kann man mit etwas Fummelei vorne am Filterhalter der Kamera einhaken und sich dann über den kompletten Kopf ziehen, wenn man hinter dem Stativ steht. Sieht lustig aus (ich hoffe, niemand hat das fotografiert), aber Mann und Maschine bzw. Kamera bleiben in der Tat trocken auf diese Weise.
Zum Fotografieren lupfe ich den Überzug vorne am Halter dann kurz nach oben und fertig ist das Foto … so dachte ich es zumindest. Zu Hause musste ich nämlich feststellen, dass ALLE Langzeitaufnahmen nicht zu gebrauchen gewesen sind, weil sich doch einige Tropfen auf der Filterscheibe eingefunden hatten, die ich blöderweise nicht bemerkt habe vor Ort. Verdammte Hacke. Die Ergebnisse sind daher … na ja, seht selbst.
Aber wenn ich eines mit Sicherheit weiß dann das: HIER HER komme ich definitiv noch einmal irgendwann! Alleine die Gesteinsformationen links und rechts vom Aldeyjarfoss sind schon der Hammer, dazu die Schlucht in welche das Wasser abfließt, die Farben dazu … einfach nur WOW! Kurzes Vergleichsfoto, mal wieder mit der ollen iPhone-Kamera.
Goðafoss
Zurück am Auto ist erst einmal wieder trockenlegen des Equipments angesagt. Ein Königreich für eine große Schale Reis, in welche ich mich jetzt legen kann, um die ganze Nässe aus mir herauszuziehen. Irgendwann auf der Rückfahrt zum Goðafoss hört es schließlich wieder auf zu regnen, zumindest dort scheinen wir also noch Glück zu haben.
Und genau so ist es. Wir beschließen heute die westliche Seite des Wasserfalls zu besuchen und morgen früh dann die östliche. So haben wir an beiden Tagen schön viel Zeit dafür.
Nach ein paar Aufnahmen von unten und von oben machen wir uns schließlich auf dem Weg zurück zum Myvatn. Irgendwann schaue ich in den Rückspiegel und traue meinen Augen kaum, der Himmel beginnt teilweise aufzureißen und scheint später tatsächlich noch einen Sonnenuntergang für uns parat zu haben.
Ich beobachte das ganze während der Fahrt relativ genau und mir fällt eine kleine Parkbucht im Südosten vom Myvatn ein, von welcher man eventuell einen guten Blick haben könnte. Zum Glück kommen wir dort noch rechtzeitig an.
Was die Natur dann für uns bereitgehalten hat, ist nur schwierig in Worte zu fassen. Ich habe inzwischen etliche Sonnenuntergänge gesehen in meinem Leben. Welche mit vielen Wolken, welche mit wenigen Wolken, in den Bergen, über dem Meer … aber einen solchen wie heute Abend habe ich in meinem Leben bisher erst einmal erlebt … und das war in Key West.
Es war, als wenn der Himmel regelrecht explodieren würde, die Farben schienen sich fast minütlich komplett zu verändern. Irgendwann kam noch eine Spiegelung im See mit dazu. Ich filme und fotografiere mit allem, was ich habe. 3 Kameras plus Kopter! Solche Momente … man muss die Insel einfach lieben dafür!
Der Tag war zwar echt bescheiden heute unterm Strich, die Natur hat sich dafür aber mit einem grandiosen Farbspektakel was seinesgleichen sucht wieder bei uns dafür entschuldigt hinterher. Und für morgen ist sogar eine Wetterbesserung in Sicht. Wenn das mal keine guten Aussichten sind.
Unfassbare 340 Kilometer haben wir heute im, am und um den Myvatn herum zurückgelegt auf der Suche nach besserem Wetter. Am Ende des Tages haben wir es endlich gefunden, nur wenige Meter von unserer Unterkunft entfernt.
Der Wecker steht nachts wieder auf die inzwischen obligatorisch gewordenen Uhrzeiten 1 Uhr und 3 Uhr … wieder einmal überflüssig wie sich herausstellt, die Polarlichter möchten sich auch weiterhin nicht zeigen. Völlig egal nach diesem Sonnenuntergang heute Abend. Okay, so ganz egal ist es natürlich niemanden von uns vermutlich, man muss es sich nur schönreden. Gute Nacht.
Jörg
einmal in meinem Leben möchte ich dort hin (auch wenn es regnet). Bin Naturfotograph und kann mir vorstellen, dass ich dort meine Letzten Aufnahmen mache ……bin bald achtzig. Danke für diesen tollen Reisebericht.
Danke für diesen tollen Beitrag. Wir waren im Mai/Juni2019 mit einer kleinen Gruppe an den gleichen Stelle. Wer hier nicht demütig zu dieser Natur wird, der hat kein Gefühl. Welch ein Geschenk diese gewaltige Natur erleben zu dürfen.